Was meint »Sozialpädagogische Forschung«?

Die Menschen werden als Subjekte und Akteurinnen und Akteure wahrgenommen. Es geht um lernende und sich entwickelnde Menschen in Verhältnissen. Die Verhältnisse werden als Strukturen des Lebensfeldes und Spezifika des Lernfeldes betrachtet, in dem die Menschen ihre Erfahrungen machen, Bewältigungsversuche unternehmen, Selbstbilder und Vorstellungen von der Welt entwickeln, verändern und verfestigen. Zu diesen Strukturen gehören andere wichtige Menschen, ihre Beziehungen und Bindungen untereinander, aber auch die materiellen und sozialen Verhältnisse, die Entwicklungschancen eröffnen oder verschließen können.

Das Forschungsprogramm interessiert sich ganz zentral für das Erleben der Menschen: Wie nehmen sie sich selbst, ihre unmittelbare und die weitere Umgebung wahr, wie integrieren sie Erfahrungen und wie verstehen und konstruieren sie ihre Lebensgeschichte? Es geht um das Erleben in seiner Vielschichtigkeit, da Erziehung hier als Anregung zur Aneignung verstanden wird. Die Forschung erfasst diese Prozesse durch die Rekonstruktion der Erfahrungen und ihrer Aufschichtungen. Dafür sind qualitative Forschungsmethoden – insbesondere biografisch-narrative Interviews und systematische Beobachtungen – besonders geeignet. Dass die Welt aus der Perspektive unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure verschieden aussieht und dass Entwicklung immer als Prozess stattfindet, sind grundlegende Annahmen, die sich oft auch im jeweiligen Forschungsdesign abbilden. Es geht dabei nicht primär um Hypothesenprüfungen, sondern in erster Linie um die Hervorbringung neuer Erkenntnisse über komplexe Wechselwirkungen, die oft durch die ausführliche und systematische Rekonstruktion von systematisch ausgewählten Einzelfällen gewonnen werden.

Für die sozialpädagogische Pflegekinderforschung liegt also ein Schwerpunkt auf dem Erleben der Kinder, die zu Pflegekindern werden, eine Zeit lang in Pflegefamilien leben und manchmal dort aufwachsen. Da die Entwicklungschancen und -hindernisse im Lebensfeld aber auch von den anderen wichtigen Menschen und Akteurinnen und Akteuren beeinflusst und stark gestaltet werden, richtet sich die Aufmerksamkeit auch auf ihr Erleben und ihre Bewältigungs- und Lebensformen. Insbesondere die Eltern, Pflegeeltern und die anderen Kinder gehören ebenfalls zu einer so verstandenen Pflegekinderforschung. Denn zur Erforschung von sozialisationsrelevanten Interdependenzen können Entwicklungsprozesse nicht aus dem Kontext des Feldes, in dem sie stattfinden, herausgelöst werden, Entwicklungsprozesse müssen vielmehr auch als soziale Prozesse zwischen den verschiedenen Menschen verstanden werden. Gerade bei der Entwicklung der Pflegekinder wird sehr deutlich, dass die Entwicklung und die Bewältigungsversuche der anderen für das Kind immer Relevanz haben und manche Phänomene in einem dekontextualisierten Zugang gar nicht verständlich würden.

Da auch in Sozialen Diensten für die Entwicklung der Kinder relevante Akteurinnen und Akteure tätig sind, ist die Erforschung der Praxis professioneller Dienste ebenfalls ein Teil der sozialpädagogischen Pflegekinderforschung.